Geschichte

Standort Freital

  1. 1855-1945

    Sächsische Gußstahlfabrik Döhlen

    Nachdem der Urvater des Unternehmens, der Oberhüttenmeister Edward Trautschold (Foto), das Wagnis der Firmengründung 1855 einging, dauerte es noch bis Januar 1857, bis der erste Stahl floss. Damals waren 61 Arbeiter beschäftigt, denen Meister vorstanden, die eigens von Krupp aus Essen an die Weißeritz geholt wurden. Schon ein Jahr später, im August 1858, ereignete sich eine Flutkatastrophe, die alles mit sich riss und die junge Firma in einem trostlosen Zustand zurück ließ. Nur mit größtem finanziellen Aufwand konnten die Schäden nach und nach beseitigt werden.

    Durch das Erfahrungswissen der Mitarbeiter und der Bereitschaft, stets modernste Technik und technische Innovationen einzusetzen, war das Unternehmen in der Lage, beste Stahlqualitäten herzustellen und kontinuierlich zu wachsen.

    Waren es 1862 noch 87 Arbeiter, die 432 Jahrestonnen produzierten, so stellten 1900 bereits 1296 Mitarbeiter 30.000 Tonnen her. Die Produkte waren u.a. Schienen, Federn und Tiegelstahl. Erschmolzen wurde das Material in 5 Siemens-Martin-Öfen mit Kapazitäten zwischen 10t und 40t.

    Die sich verschärfende Krise Ende der 1920er Jahre führte zu dramatischen Absatzschwierigkeiten und Stilllegungen von Betreibsteilen. Nur mit finanzieller Beteiligung des Landes und der Stadt Freital konnte das Werk gerettet werden. Ab 1933 übernahm das Werk im Auftrag des Oberkommando Heer die Produktion von Geschoßen. 1939 übernimmt Friedrich Flick das Werk in die "Mitteldeutsche Stahlwerke AG". In der Zeit des Zweiten Weltkrieges wird die Produktion vor allem durch den Einsatz von Kriegsgefangenen (v.a. Italiener und Russen) und Ostarbeitern aufrecht erhalten. Diese Arbeiter machen teils mehr als 60% der Belegschaft aus.

  2. 1945-1992

    VEB Edelstahlwerk "8. Mai 1945"

    Das nächste Aus kam 1945. Auf Befehl der sowjetischen Militäradministration wurde das Werk beschlagnahmt, komplett demontiert und als Reparationszahlung in die damalige Sowjetunion verbracht.

    Am 01. Juli 1948 wurde an selber Stelle der VEB "Hüttenwerk Döhlen" gegründet. Im Folgejahr wurden 2 Hämmer und 2 Siemens-Martin-Öfen in Betrieb genommen.

    In den 50er Jahren wurde das Werk u.a. um mehrere Lichtbogenöfen, die 700er-Blockstraße und die 450er-Mittelstraße ergänzt. Am Sauberg und am Raschelberg wurde mit der Errichtung von Arbeiterwohnungen begonnen. Am 8. Mai 1955 erhielt das Werk den Namen "VEB Edelstahlwerk '8 Mai 1945' Freital". Es war das einzige Edelstahlwerk der DDR.

    In den 60er Jahren wurden die Anlagentechnik weiter ergänzt. Es entstanden die 280er-Feinstraße, die erste deutsche Elektroschlackeumschmelzanlage (ESU) und in Zusammenarbeit mit dem Ardenne-Institut die beiden Elektronenstrahlmehrkammeröfen (EMO 200 und EMO 1200). 1964 wurde die Edelstahlzieherei Lugau als Betriebsteil an das Edelstahlwerk angegliedert.

    Die 70er Jahre standen für eine stärkere Automatisierung der Produktionsabläufe. Der mechanisierte Gießbetrieb wurde eingeführt und die ersten Prozeßrechner (Analyseautomaten) für das Stahlwerk. Das Siemens-Martin-Werk wurde geschlossen und der weltweit erste 30t-Plasmaofen in Betrieb genommen.

    In den 80er Jahren ist vor allem die Errichtung der 2 Langschmiedemaschine SX13 und der Pfannenmetallurgischen Anlage zu nennen. In Zauckerode entstanden in Plattenbauweise Arbeiterwohnungen, da die Belegschaft auf mittlerweile etwa 6000 Mitarbeiter angewachsen war.

    Mit der Wiedervereinigung stand das Werk vor großen Problemen: Der Stahlmarkt im Ostblock brach zusammen, die Belegschaft wurde um etwa die Hälfte reduziert. Nicht betriebswirtschaftlich notwendige Grundstücke und Einrichtungen (u.a. Ferienheime, Kindergärten, Kantine) wurden ausgegliedert bzw. in kommunale Trägerschaft abgegeben. Das Werk wurde in "Sächsische Edelstahlwerke GmbH" umbenannt. Trotz aller Bemühungen konnte kein Käufer für das Werk gefunden werden. Mit der Einstufung als „nicht sanierungsfähig“ beschloss die Treuhandanstalt deshalb 1992 die Schließung. Nur den Bemühungen der Stahlwerker um ihr Werk ist es zu verdanken, dass diese letztlich verhindert werden konnte. Durch Streiks, Demonstrationen und Aktionen wie die Besetzung des Dresdner Flughafens konnten die politischen Entscheider dazu gebracht werden, der mittelständischen Boschgotthardshütte (BGH) aus Siegen die Chance zu geben, das Werk zu erwerben. 

  3. ab 1994

    BGH Edelstahl Freital

    Mit der Übernahme  der sächsischen Edelstahlwerke GmbH zum 1. Januar 1993 begann ein überlebenswichtiges Kostensenkungsprogramm. Dessen Kern enthielt im Wesentlichen 3 Hauptpunkte. 

    1. Streichung der Verlustbringer aus dem Sortiment und Hinwendung zu gewinnbringenderen Produkten. 
    2. Trennung von allen nichtbetriebsnotwendigen Einrichtungen
    3. weitere Anpassung der Belegschaftsstärke an den nun deutlich niedrigeren Ausstoß.

    Zugleich begann ein in Freital noch nie dagewesenes Investitionsprogramm. Die Anlagentechnik wurde nahezu komplett neu errichtet und ermöglichte einen Technologiesprung von etwa 25-30 Jahren. Ziel war es, Freital zum Walzzentrum der neuentstandenen BGH-Unternehmensgruppe zu entwicklen. Das hatte andererseits zur Folge, dass der Schmiedebereich seine Kapazitäten an die Standorte Siegen und Lippendorf verlor. Dennoch wurden für spezielle Produkte und als Alternativen für das Umformen durch Walzen, begrenzte Schmiedekapazitäten (ein Lufthammer und zwei Schmiedemaschinen) erhalten. Die Mittel- und die Feinstraße wurden durch eine kombinierte Stabstahl-Draht-Straße (SDS) ersetzt.

    Besonders sind die Verbesserungen in der Adjustage hervorzuheben: Jahrzentelang mussten hier vor allem Strafgefangene und Jugendliche aus dem Jugendwerkhof "Junge Welt" ihre Arbeit verrichten. Dementsprechend waren leider auch die Arbeitsbedingungen. Die Prüftechnik, Werkstätten und das Verwaltungsgebäude sind weitere Schwerpunkte des Restrukturierungsprozesses gewesen.

    In dieser mehrjährigen Phase gelang es dem Unternehmen, zeitgleich zu sanieren, zu investieren, zu produzieren und zu qualifizieren. Bis Anfang der 2000er Jahre flossen über 200 Mio. Euro in den Stahlstandort Freital.

    Darüber hinaus erhielt der Umweltschutz im gesamten Werk die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Die dazu erforderlichen enormen finanziellen Aufwände halfen u. a. auch mit, die Lebensqualität in der Stadt Freital erheblich zu verbessern.

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